KINDERVERSORGUNG: EIN INTERVIEW MIT ALEXANDER DOMINGUEZ


Guten Tag, Herr Dominguez! Sie sind Hörakustiker-Meister und Pädakustiker:

Welche Menschen kommen zu Ihnen?

Menschen mit Hörproblemen – Große und Kleine! Bei den Erwachsenen sind 90 % aller Kunden fremd motiviert. Fast jeder, der reinkommt, sagt „Ich hab’ den Fernseher immer zu laut, sagt meine Frau, meine Kinder, mein Enkel.“ Keine 10 % kommen selbst motiviert!

Das sind die Großen. Warum kommen Kinder zu Ihnen?

Bei Kindern ist zum einen der Anteil erblicher Hörstörungen hoch. Und es gibt Missbildungen während der Schwangerschaft. Statistisch betrachtet hat jedes 1000ste Kind eine Hörbeeinträchtigung.

Sind Kinder genauso wenig motiviert wie Erwachsene?

Kinder sind viel offensiver, auch offensiver als ihre Eltern: Die Kinder wünschen sich möglichst bunte Hörgeräte! Die Eltern: möglichst kleine und unsichtbare. Ich habe Kindern schon Hörgeräte in den Farben ihres Lieblings-Fußballvereins angepasst. Mit großem Vergnügen! Denn sie sind stolz darauf und tragen ihre Hörgeräte ganz selbstverständlich, teilweise mit Begeisterung.

Das klingt unkompliziert: Ist es so einfach?

Bei Kindern ist die größte Herausforderung, die Eltern ins Boot zu holen. Die Kinder sind nicht schwierig. Sie sind spontan, hinterfragen nicht so viel und zeigen ganz schnell und deutlich: „Das passt und das passt nicht.“ Die Eltern sind häufig von den Ärzten und Kliniken noch nicht vollständig aufgeklärt. Sie sehen vor allem die Behinderung ihres Kindes. Ich erkläre den Eltern, dass ihre Kinder mit Hörgeräten die Chance auf ein normales Leben haben, normale Berufe erlernen und studieren gehen können. Das ist möglich, weil die frühzeitige Versorgung mit Hörgeräten ihnen eine normale Entwicklung und einen normalen Spracherwerb in den ersten Lebensjahren ermöglicht.

Kann man Defizite im Hören bei den Kindern denn schon früh feststellen?

Ganz klar: Ja! Zum Glück wurde das Hörscreening 2009 als gesetzliche Früherkennungsuntersuchung in Geburtskliniken eingeführt. Mithilfe moderner Testgeräte stellen die Ärzte fest, ob Mittelohr, Hörschnecke, Hörnerv und der untere Teil der Hörbahn funktionsfähig sind. Danach steht fest, ob das Gehör normal entwickelt ist oder weitere Untersuchungen stattfinden müssen.

Wann kommen die Familien dann zu Ihnen?

So früh wie möglich. Heute passt man ein Hörgerät so früh wie möglich an, um kein Defizit zu riskieren. Auch bei ganz kleinen Kindern wird bereits die Hörbahnreifung durch die Hörgeräte stimuliert und die Entwicklung kann normal verlaufen. Ich habe sogar schon einen Fall gehabt, in dem die Hörgeräte nach zwei Jahren abgelegt werden konnten. Das ist eine Ausnahme, zeigt aber, wie wichtig die frühzeitige und ausreichende Versorgung ist.

Gehen Sie bei Kindern anders vor als bei erwachsenen Kunden?

Kindern werden spezielle Hörgeräte angepasst. Die müssen alle Details übertragen – anders als bei Erwachsenen, die viele Geräusche filtern. Kinder müssen alle Reize mitbekommen, jede Kleinigkeit zählt! Die Technik steht nicht allein im Mittelpunkt: Wichtig ist, dass das Hörgerät gut sitzt, dass es die richtige Größe hat und dass es die optimale Lautstärke überträgt.

Dann hat das Kind seine Hörgeräte in Schalke-Blau oder Bayern-München-Rot.

Wie geht es weiter?

Nach der Auswahl der Erstversorgung muss das Kind sich möglichst früh, im Alter von zwei bis drei Jahren, an einen Hörtest gewöhnen. Das ist die wichtigste Diagnostik für die laufende Anpassung der Hörgeräte. Also trainiere ich spielerisch mit den Kindern die Hörtests – bis wir verlässliche Daten bekommen, mit denen wir arbeiten können.

Sind Hörgeräte für Kinder teuer?

Die Krankenkassen zahlen einen speziellen Zuschuss, der über bundesweite Verträge geregelt ist. Und ich finde eigentlich immer eine Elektronik, die in den Kostenrahmen passt. Die laufende Anpassung und Betreuung bei Kindern dauert dagegen länger als bei Erwachsenen. Sie gehört aber nach der Anpassung zum Service und findet kostenlos statt: Alle drei Monate kommen die Kinder dann zu uns.

Wenn Sie in die Zukunft schauen: Wie wird es mit der Hörgeräteakustik weitergehen? Gibt es Trends oder neue Entwicklungen, die für die Patienten wichtig werden könnten?

Kommunikation ist der größte und aktuellste Trend. Es gibt neue Hörgeräte, die sich untereinander quasi austauschen können und sich abgleichen. Das ist für viele eine große Erleichterung: Alle neuen Hörgeräte haben diese „Ear to ear“-Technik (Ohr-zu-Ohr-Technik).

Und sie haben eine Funkverbindung: Erkennen sie zum Beispiel das Signal des Fernsehers, schalten sie automatisch auf den Fernsehton um. Bluetooth ist bei Hörgeräten inzwischen Standard und erleichtert beispielsweise die Handy-Telefonie.

Konferenz-Mikrofone wirken wir Richt-Mikrofone und übertragen die Gespräche in Konferenzen optimal für die Träger von Hörgeräten. Dabei sind sie genauso unauffällig wie ein Handy.